Reifen für 80 Euro? Da dreht sich der Mountainbiker im Kreis!
Es gibt so Momente, da stellt man sich die Frage, ob sich die Menschheit vielleicht einfach selbst ein bisschen ins Knie schießt – metaphorisch gesprochen natürlich. Zum Beispiel, wenn Schwalbe den neuen Albert Gravity Radial vorstellt und die Mountainbike-Welt in kollektive Empörung ausbricht: „Was, 80 Euro für einen Reifen? Das kann ja wohl nicht deren Ernst sein!“
Ja, tatsächlich, das ist ihr Ernst. Schwalbe meint das vollkommen ernst. 80 Euro, UVP, für einen Reifen, der dafür sorgt, dass du nicht in der Kurve liegst wie ein Käfer auf dem Rücken. Für ein Stück Hightech-Gummi, das dich und dein sündhaft teures Mountainbike sicher über Stock und Stein bringt. Denn vergessen wir nicht, wir reden hier nicht von irgendwelchen Klapperfahrrädern. Nein, die Empörung kommt von Menschen, die Mountainbikes im Wert von Kleinwagen durch den Wald jagen. Bikes, für die der durchschnittliche Radfahrer einen Kredit aufnehmen müsste.
Aber ja, beim Reifen hört der Spaß natürlich auf. Da wird kalkuliert, gespart und gejammert. Und dann geht’s ins Forum, um in epischer Breite die Dreistigkeit der Reifenhersteller zu diskutieren. 80 Euro! Für einen Reifen!
Klingt absurd? Ist es auch. Aber es ist nicht das einzige Beispiel dafür, wie wir uns gern selbst widersprechen, wenn es um unsere Ausgaben geht. Ich sage nur: Grill. Da gibt es Menschen, die einen halben Monatslohn in einen Grill investieren. Edelstahl, Doppelwand, vier Brenner, indirektes Grillen, Seitenkocher – das volle Programm. Und dann? Dann liegt da das Discounter-Nackensteak für 2,99 Euro das Kilo drauf. Zumindest hat das Steak ja das Grillerlebnis der Luxusklasse.
Das ist, als würde man sich ein 200 PS starkes Auto kaufen und dann Super E10 tanken, weil man ein bisschen sparen möchte. Als würde man sich ein High-End-Smartphone holen, um dann das billigste Datenvolumen zu buchen. Der Widerspruch könnte größer kaum sein, aber genau das scheint uns irgendwie zu gefallen.
Also zurück zu den Mountainbikern. Da gibt es eine simple Wahrheit: Wer sich ein Mountainbike für 10.000 Euro leisten kann, sollte nicht beim Reifen knausern. Oder anders gesagt: Wenn du bereit bist, eine wahnsinnige Summe für den Rahmen, die Federung und die hydraulischen Scheibenbremsen auszugeben, dann bitte, tu uns allen den Gefallen und nimm auch das Geld in die Hand, das dich auf den Trails hält.
Aber vielleicht liegt das Problem ja auch tiefer. Vielleicht geht es gar nicht ums Geld. Vielleicht ist das Ganze nur eine Art von selektivem Geiz. Ein uralter Reflex, der uns davor bewahren soll, am Ende wirklich alles auszugeben. So wie der Typ mit dem sündhaft teuren Gasgrill vielleicht ein schlechtes Gewissen hat, weil er so viel Kohle für den Grill ausgegeben hat – und deswegen am Fleisch spart. So wie der Mountainbiker, der sein Konto mit seinem teuren Bike überzogen hat, dann doch mal den Rotstift ansetzt, wenn es um neue Reifen geht.
Es ist eine Art kognitive Dissonanz, eine interne Widersprüchlichkeit, die wir uns selbst nicht eingestehen wollen. Klar, ein teurer Reifen für 80 Euro tut weh, aber das teure Bike war ja irgendwie… eine Notwendigkeit, oder?
Letztendlich bleibt uns nur, darüber zu schmunzeln. Denn in einer Welt, in der wir bereit sind, für Luxusgüter horrende Summen zu zahlen und dann am wichtigsten Detail zu sparen, ist die Logik längst über Bord gegangen.